Zusammen mit meinem Kollegen Hubertus Heil stand ich in der Regierungsbefragung dem Parlament Rede und Antwort. In meinem einführenden Bericht habe ich die Abgeordneten über die aktuellen Themen und Meilensteine aus dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend informiert.

Transkript meiner Rede:

Werte Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Wir erleben seit dem 7. Oktober in Deutschland Dinge, die wir nicht erleben wollen und die uns heute, gerade auch am Vorabend des 9. November, ganz besonders beklommen stimmen: antisemitische und israelfeindliche Hetze auf der Straße, Gewalt, Hass und die Bedrohung von Jüdinnen und Juden im Netz, zuletzt die Pro-Palästina-Demo in Essen, auf der Frauen und Männer getrennt gelaufen sind und wo Sympathisantinnen und Sympathisanten des IS-Terrors dessen Symbole eines gewalttätigen Gottesstaates offen zeigten. All das schürt Angst, und all das erschüttert uns zutiefst. Jüdinnen und Juden müssen sich in Deutschland jederzeit sicher fühlen können, und da sind wir alle in der Verantwortung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Darum ist auch das zivilgesellschaftliche Engagement gegen Antisemitismus zentraler Kern der Demokratiearbeit meines Hauses. Das fanatische Massaker der Hamas an Jüdinnen und Juden in Israel hat unermessliches Leid in der Zivilgesellschaft zur Folge, und es hat den Nahostkonflikt erneut eskalieren lassen.

Ich habe mich nach den ersten antisemitischen Reaktionen hier in Deutschland mit Vertretern des Kompetenznetzwerks KOMPAS getroffen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben mir erzählt, dass sie natürlich jetzt enorm viele Anfragen von Schulen, von Sportvereinen, von Jugendklubs bekommen, weil dort junge Menschen mit teilweise bereits gefestigtem antisemitischem Weltbild auf Gleichaltrige und auf Trainer und Lehrer treffen. Natürlich sind viele vor Ort überfordert mit der Konfrontation und auch mit der Aggression. Aber mich hat sehr beeindruckt, wie kompetent und konkret die Expertinnen und Experten aktuell auf diese Bitten und Hilfeersuchen reagieren, auch wenn sie derzeit über dem Limit arbeiten. Die Träger, unter anderem das Anne-Frank-Zentrum und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, könnten auch besser und kundiger kaum sein.

Wir fördern das KOMPAS-Netzwerk übrigens mit Mitteln aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“. Insgesamt investiert das BMFSFJ im laufenden Jahr mehr als 15 Millionen Euro in die konkrete Antisemitismusprävention im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ und weiterer Programme. Dazu zählen ausdrücklich auch solche, die Antisemitismus in muslimischen Gemeinden zum Inhalt haben. Aber Antisemitismus kommt eben leider aus der ganzen Breite der Gesellschaft. Darum unterstützen wir auch mit unseren Partnerschaften für Demokratie Städte, Landkreise und Kommunen. Denn immer mehr wollen Vielfalt stärken und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit verhindern, ganz direkt und lokal. Auch um den Kampf gegen Antisemitismus auf eine dauerhafte, finanziell sichere Grundlage zu stellen, wäre es so wichtig, das Demokratiefördergesetz zügig zu beschließen.

Abgesehen davon haben wir morgen die erste Lesung des Gesetzentwurfs zur Einführung einer Kindergrundsicherung. Sie wird das Leben von so vielen Familien in Deutschland ab 2025 besser machen. Im Augenblick ist es so, dass jedes fünfte Kind in Deutschland arm oder armutsgefährdet ist. Das ist einer reichen Industrienation einfach unwürdig. Die Kindergrundsicherung wird in Zukunft über eine Stelle laufen. Die derzeitige Familienkasse wird zur Familienservicestelle ausgebaut werden, und alle Familien erhalten von der gleichen Stelle den Kindergarantiebetrag und bei niedrigem Einkommen auch den Kinderzusatzbetrag. Wir schaffen es damit endlich, von der Holschuld der Familie zu einer Bringschuld des Staates zu kommen. Das ist ein Systemwechsel, das ist ein Paradigmenwechsel.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte mit einer weiteren guten Nachricht schließen. Heute hat das Bundeskabinett beschlossen – ebenso wie bereits 480 Unternehmen, Verbände und Kommunen –, dem Bündnis „Gemeinsam gegen Sexismus“ beizutreten. Damit setzen alle Ministerien und auch das Kanzleramt das klare Signal: Wir stehen gemeinsam gegen Sexismus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Janine Wissler [DIE LINKE])

Dieses Programm stößt auf sehr großes Interesse.

Die Bundeszentrale für politische Bildung vermittelt Medienkompetenz, um Verschwörungserzählungen zu entlarven und Gegenargumente zu trainieren. Bundesinnenministerin Nancy Faeser und der Vorsitzende der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem haben gerade eine Kooperationserklärung zur Fortbildung der Bundespolizei und des Bundeskriminalamtes unterzeichnet. Im Rahmen des Bundesprogramms „Jugend erinnert“ fördert mein Haus Fahrten von Jugendgruppen an Stätten der NS-Massenvernichtung und den deutsch-israelischen Jugendaustausch.

Werte Kolleginnen und Kollegen, aus Gesprächen mit Praktikerinnen und Praktikern weiß ich: Gerade durch empathische Gespräche mit biografischen Bezügen gelingt es häufig, Feindbilder aufzubrechen. Deswegen brauchen wir mehr von diesen Programmen und nicht weniger.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Deshalb: Lassen Sie uns auch ganz praktische Schlüsse aus der Solidarität mit Israel und dem wachsenden Antisemitismus ziehen. Ein wichtiger weiterer Baustein wäre die Verabschiedung des Demokratiefördergesetzes in diesem Haus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)