Familien, Alleinerziehende, Studierende – alle kämpfen mit explodierenden Mieten! In Berlin haben sich die Neumieten in 10 Jahren verdoppelt
Die aktuelle Regierung hat Haushaltsmittel in historischem Umfang zur Verfügung – das Sondervermögen könnte der Schlüssel zu einer gerechten Zukunft auf dem Wohnungsmarkt sein. Aber die verteilt lieber teure Wahlgeschenke, statt die größte soziale Krise unserer Zeit anzupacken.
Meine Rede vom 08. Juli 2025.
Transkript meiner Rede:
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Wer findet heute noch eine bezahlbare Wohnung? In Dresden, Stuttgart, Berlin, überall in Deutschland? Zum Beispiel die Familie, die sich auf das dritte Kind freut, aber dann jahrelang keine passende Wohnung findet, die alleinerziehende Mutter, die mit ihren Kindern in einer viel zu kleinen, zugigen Wohnung lebt – Stockschimmel inklusive –, Studentinnen, die in Turnhallen übernachten müssen, in Schlafsäcken, weil selbst WG-Zimmer unbe- zahlbar geworden sind. Eine bezahlbare energetisch sanierte Wohnung – Goldstaub auf dem Wohnungsmarkt! Das alles ist Alltag in Deutschland.
(Marc Bernhard [AfD]: Ihr habt es verursacht!)
In Berlin haben sich die Neumieten in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt, auf durchschnittlich 18 Euro pro Quadratmeter, und das viel zu oft für marode Fassaden, verdreckte Flure, vermüllte Außenanlagen. Immer mehr Menschen müssen Wohngeld beantragen und warten dann doch monatelang auf ihren Bescheid – bis zu 23 Wochen in Berlin, fast ein halbes Jahr. Existenzielle Unsicherheiten, Mietrückstände, Angst vor dem Wohnungsverlust.
(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Wer war jetzt eigentlich in Berlin an der Regierung? –
Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Wer trägt dafür die Verantwortung in Berlin?)
– Herr Luczak, gut, dass Sie noch mal darauf hinweisen, dass Sie hier in Berlin Verantwortung tragen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –
Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Nee, nee! Sie haben Verantwortung getragen!)
Wir Grüne haben gerade an all diese Millionen Menschen gedacht, als wir dem Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Investitionen zugestimmt haben. Und für uns Grüne haben drei Dinge bei Wohnen, Bau und Stadtentwicklung Priorität:
Erstens. 100 000 neue gemeinnützige und Sozialwohnungen pro Jahr müssen gebaut werden können, so wie es die Mietervereine, so wie es die Wohlfahrts- und Sozialverbände seit Langem fordern.
(Marc Bernhard [AfD]: Ihr hattet doch jetzt dreieinhalb Jahre Zeit!)
Zweitens: die sozial gerechte energetische Sanierung, damit die Warmmiete eben nicht explodiert. Fürs Klima und auch für uns – auch da sind sich die Experten und Verbände seit Jahren einig – müssen wir die jährliche Zahl der energetischen Sanierungen verdreifachen.
Drittens: der klimagerechte Stadtumbau. Wir haben gerade wieder eine Woche Jahrhunderthitze erlebt – und wie das den Kindern, den Älteren unter uns, den Vulnerablen zusetzt, wie sie die Gesundheit massiv belastet. Die Hitze aber trifft nicht alle Menschen gleich. Sie trifft ärmere Menschen noch mal unerträglich stärker, nicht nur wegen schlecht gedämmter Wohnungen, sondern auch, weil sie in Vierteln wohnen, wo die Luft noch mal heißer ist, weil Grün fehlt, weil alles versiegelt und zubetoniert ist, weil Parks, weil Bäume fehlen.
(Sebastian Münzenmaier [AfD]: Weil Parks nicht mehr begehbar sind in Berlin! Das ist der Punkt!)
Werte Kolleginnen und Kollegen, das Programm, das es gibt, wird gebraucht. Aber es braucht vor allen Dingen eine massive Aufstockung; denn unsere Erde hat Fieber. Es ist Zeit, dass diese Regierung die Klimakrise endlich ernst nimmt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Alle drei Prioritäten – ja, es wurde zu Recht schon eingeworfen – sind bereits von der Ampel, auch von uns Grünen, mit verankert worden, aber konnten von der Ampel nicht bedarfsgerecht ausfinanziert werden, weil wir nicht das Budget hatten, was Sie jetzt haben. Aber jetzt können Sie genau das machen; Sie können das jetzt bedarfsgerecht finanzieren. Aber was findet sich zu diesen zentralen Herausforderungen unserer sozialen Infrastruktur im Sondervermögen? Nichts. Gähnende Leere! Stattdessen verschieben Sie nur bestehende Eigenheimförderprogramme aus dem Kernhaushalt in das Sondervermögen, Frau Ministerin.
(Kassem Taher Saleh [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)
Sie haben das Sondervermögen zu einem riesigen Verschiebebahnhof gemacht, und – Überraschung! – im Ergebnis werden über 100 Milliarden Euro des Sondervermögens eben nicht für dringend notwendige Investitionen, sondern für teure Wahlgeschenke verschleudert.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sylvia Rietenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)
Auch die Kommunen bräuchten dringend zusätzliche Mittel, und sie wurden ihnen auch versprochen. Aber jetzt sollen sie froh sein, dass sie zwar auf der einen Seite Geld für Investitionen bekommen, ihnen aber auf der anderen Seite praktisch das gleiche Geld durch die Steuersenkungen wieder weggenommen wird. Sie sollen also froh sein, dass es nicht schlimmer wird. Aber unsere Kommunen sind unsere demokratischen Kraftzellen, und ein Land funktioniert einfach nicht, wenn es in die Schulen reinregnet, wenn Freibäder, wenn Stadtbibliotheken nicht mehr öffnen und wenn die Substanz unter den Füßen bröckelt. Den Kommunen fehlen die Mittel für Sport-, Jugend- und Kultureinrichtungen, und das zerstört massiv Vertrauen, das ist verantwortungslos.
Werte Kolleginnen und Kollegen,
sehr viel wäre mit diesem einzigartigen Haushalt möglich, dem größten in der Geschichte der Bundesrepublik; zu den 500 Milliarden Euro im Kernhaushalt kommen 500 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen hinzu. Sehr viel wäre mit diesem Haushalt möglich, und es wäre so viel notwendig. Kanzler Friedrich Merz hat versprochen, zusätzliche Schulden nur für Investitionen aufzunehmen. Aber wir müssen heute feststellen: Wieder hat Friedrich Merz
sein Wort gebrochen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –
Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Für die Bewerbungsrede um die Berliner Spitzenkandidatur ist das aber ziemlich lahm! –
Gegenruf des Abg. Kassem Taher Saleh [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die kommt noch!)
Aber der Haushalt ist das Königsrecht des Parlamentes. Und deshalb: Sie haben es nach wie vor in der Hand. Es ist höchste Zeit. Arbeiten Sie an diesem Haushalt – für ein echtes Klima-Bauprogramm, das nachhaltig wirkt, auch bei Sanierungen, für sozialen Wohnraum, der be- zahlbar bleibt, auch für Familien, auch für Alleinerziehende, auch für Studierende, für gestärkte und resiliente Städte und Kommunen, damit Menschen in ihren Nachbarschaften gut leben können! Diese Regierung, Sie haben mit diesem Haushalt dank der Grundgesetzänderung das Geld, Sie haben eine historische Chance. Nutzen Sie sie! Sie sind es den kommenden Generationen schuldig.
Herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)