Herr Merz, wo bleibt die Offensive für attraktive Arbeitsbedingungen für Frauen?
Vereinbarkeit von Familie und Beruf statt Dauerverfügbarkeit und Steuerboni für Besserverdiener. Millionen Eltern warten darauf. Dann klappt’s auch mit den zusätzlichen Fachkräften.
Meine Rede vom 17. Oktober 2025.
Transkript meiner Rede:
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!Werte Damen und Herren!
Friedrich Merz hat bekanntlich gute und schlechte Tage. An schlechten Tagen räsoniert er über ein Problem im Stadtbild, wahlweise auch über faule Deutsche, die mehr arbeiten sollten. An guten Tagen wie am 3. Oktober ruft er zu Diskussionen darüber auf, was wir für ein Land sein wollen, und zu Mut, uns Veränderungen zuzutrauen, zu Innovationen. Daran möchte ich heute anknüpfen.
Wenn Friedrich Merz über Veränderung spricht, stehen Frauen allerdings nicht auf seiner Arbeitsmarktagenda.
(Zuruf von der CDU/CSU: Mein Gott, ist das schlecht!)
Wenn es um den Arbeitsmarkt geht, scheint er nur an ein Geschlecht zu denken – und das ist männlich –, und das, obwohl unsere Wirtschaft in einer strukturellen Krise ist:
Ein nach wie vor großer Fachkräftemangel trifft auf Rezession, auf geopolitische Belastungsproben, auf Transformationserfordernisse durch Digitalisierung und Klimakrise. Und wie lautet Friedrich Merz’ Antwort? Die Beschäftigten – Klammer auf: Männer –, die bereits Vollzeit arbeiten, sollen noch mehr arbeiten – Überstunden steuerfrei –, und der Achtstundentag soll Geschichte sein, obwohl Deutschland mit bereits 683 Millionen unbezahlten Überstunden trauriger Spitzenreiter in Europa ist.
(Zuruf des Abg. Kai Whittaker [CDU/CSU])
Was ist die Folge davon? Erstens: deutlicher Anstieg des Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, deutlicher Anstieg von psychischen Erkrankungen, deutlich mehr Risiko für Unfälle. Zweitens: Sinken der Erwerbsbeteiligung von Frauen, steigende traditionelle Arbeitsteilung, das heißt wieder mehr Kinder, Küche, Pflege. Das, meine Damen und Herren, ist nicht mehr Wohlstand durch mehr Arbeit, sondern das ist weniger Wohlstand und mehr Ungerechtigkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Und wie lautet Merz’ zweite Antwort? Aktivrente. Die Aktivrente macht zwar nicht kränker, aber sie kostet über 800 Millionen Euro und fließt vor allem an 170 000 zumeist besserverdienende ältere Männer, während es derweil noch sicherer als zuvor die Frauen sind, die die unbezahlte Pflege der Angehörigen übernehmen.
Ja, und was kommt noch? Nichts! Das war es an Vorschlägen von Friedrich Merz.
(Zuruf von der AfD: Ja!)
Wo ist die Offensive für attraktive Arbeitsbedingungen für Frauen? Fachkräfte im Umfang von 840 000 Vollzeitbeschäftigten könnten gehoben werden. Wo ist der Pakt mit den Ländern für eine Fachkräfteoffensive für Erzieherinnen und Erzieher, für Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, für Gesundheitsberufe und Pflege? Warum nenne ich gerade das? Weil genau das die zentralen Mangelberufe in Deutschland sind. Wenn es also darum geht, etwas gegen den Fachkräftemangel zu tun, dann müssen Sie genau hier ansetzen. Und obendrein sind das die zentralen Berufe, bei denen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für alle Beschäftigten besonders wichtig ist.
Sie sind übrigens auch entscheidend für erfolgreiche Bildungsbiografien: Berufseinsteiger statt Schulabbruch.
Das ist wichtig; denn allein im vergangenen Jahr gab es 62 000 junge Menschen, die keinen Schulabschluss gemacht haben. Wann werden endlich die steuerlichen Hemmnisse für Frauen abgeschafft, wie beispielsweise das Ehegattensplitting oder die Teilzeitfalle Minijob?
Wann kommen endlich echte flexible Arbeitszeitmodelle, bei denen Arbeitnehmer/-innen nicht Verfügungsmasse von Unternehmen sind, sondern auf Augenhöhe mitbestimmen, mit starken Betriebsrenten, Frau Carstensen?
Wann kommt das Recht auf Rückkehr in Vollzeit, damit Arbeit endlich ins Leben passt? Das ist das Land, in dem ich leben möchte, mit mehr Wohlstand, mit mehr Gleichberechtigung, mit mehr Innovation. In diesem Sinne, liebe Bundesregierung: Haben Sie mehr Mut zu Veränderungen!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Beim Antrag der Linken werden wir uns enthalten. Wir teilen die Analyse, aber wir kommen nicht zu den gleichen Schlussfolgerungen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)